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Hartmut Kalleja - Präsident der BVPI

Dr.-Ing. Hartmut Kalleja
Präsident der BVPI

Sicherheit ist nicht verhandelbar!

Sicherheit ist nicht verhandelbar! Diese Erkenntnis hat sich in vielen Ländern der EU seit vielen Jahrzehnten zu elementarer Gewissheit ent­faltet. Und doch haben die Mitgliedstaaten der EU vor ein paar Jahren eine Vorschrift in Kraft gesetzt, die diese Erkenntnis rücksichtslos ne­giert: die Bauproduktenverordnung. Mit ihr hat die EU politischer Er­wägungen wegen, gesicherte bisherige Prinzipien auf den Kopf und diffuse wirtschaftliche Marktinteressen höher gestellt als die konkrete bautechnische Sicherheit ihrer Bevölkerungen.

Die Bauproduktenverordnung verbietet es bekanntlich, defektive eu­ropäisch harmonisierte Bauprodukte (hEN) mit zusätzlichen nationa­len Qualitätskriterien zu vervollständigen, um national geltende Si­cherheitsstandards erfüllen zu können. Dieses Verbot hat in Deutsch­land signifikante Komplikationen in Form von sicherheitsempfindli­chen Qualitätslücken in vielen Normen ausgelöst. Im Zentrum dieser Komplikationen stehen die Prüfsachverständigen. Ihnen ist ja im Zuge der Privatisierung und Deregulierung staatlicher bauaufsichtlicher Ob­liegenheiten in den neunziger Jahren oktroyiert worden, die Einhal­tung bauordnungsrechtlicher Anforderungen zu überwachen, zu prü­fen und zu bescheinigen – und zwar in rein privatem Auftrag. Seither vollziehen sie keine hoheitlichen bauaufsichtlichen Aufgaben mit amt­licher Rückendeckung mehr, sondern sind einem privatwirtschaftlichen Haftungsrisiko nach zivilrechtlichen Grundsätzen unterworfen – sie sind also nicht mehr komplett unabhängig vom Bauherrn, was unter dem Aspekt der bautechnischen Sicherheit ein bedenklicher Zustand ist.

Diese Situation wird noch dadurch verschärft, dass die nationalen Konsequenzen der Bauproduktenverordnung dem Prüfingenieur oder dem Prüfsachverständigen Entscheidungen abverlangen, die sie unter professionell korrekten Bedingungen überhaupt nicht treffen können, weil ihnen gesicherte Informationen und exakte Leistungsdefinitionen von Bauprodukten verweigert werden (Stichwort: „NPD“, der Wissen­de weiß, was gemeint ist). Dem hoheitlich tätigen Prüfingenieur steht da die Amtshaftung zur Seite …

Diese prekäre Situation zersetzt seit Jahren die Überzeugungen vom Primat bautechnischer Sicherheit vor Profitabilität, und sie bedeutet, was mit Zahlen bewiesen werden kann, eine eklatante Reduzierung der Bauwerkssicherheit; und damit auch – wegen der Beseitigung ver­meidbarer Mängel und Schäden – einen präzise messbaren Anstieg der Baukosten.

Das alles verlangt nach Abhilfe. Es sei nun „höchste Zeit zum Han­deln“, hat deshalb mein Vorgänger im Amt, Dr.­Ing. Markus Wetzel, an dieser Stelle vor einem Jahr konstatiert und Maßnahmen angekündigt. Die sind mittlerweile in Gang gesetzt worden.

Und zwar – unter anderem – in Form eines Gutachtens, das einer der renommiertesten Staatsrechtler Deutschlands geschrieben hat, Prof. Dr. jur. Dr. sc. pol. Udo Di Fabio. Er war jahrelang Richter des Bundes­verfassungsgerichts und ist heute Direktor des Instituts für Öffentli­ches Recht der Rheinischen Friedrich­ Wilhelms ­Universität Bonn. Er hat die „Sicherheit von Bauwerken unter Binnenmarktbedingungen“ untersucht und die „staatliche Gewährleistungs- ­und Integrationsver­antwortung für die Standsicherheit und den Brandschutz von Bauwer­ken, Gebäuden und Konstruktionen der Infrastruktur“ analysiert. Er kommt zu dem Schluss, die sicherheitsrelevante Qualitätslücke, die sich in Deutschland auf Grund der nationalen Folgen der Bauproduk­tenverordnung aufgetan hat, verlange die vorbehaltlose Erkenntnis, dass „die Tätigkeit des Prüfsachverständigen, der an Stelle der Bau­aufsichtsbehörde zu prüfen hat, ob das Bauvorhaben in statisch-­kon­struktiver Hinsicht den Anforderungen des Bauordnungsrechts ent­spricht … im öffentlichen Interesse steht“, nämlich im Interesse der Gefahrenabwehr.

Dieses Gutachten hat der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI) aus berufener Feder glaubwürdig und überzeugend attestiert, dass ihre seit Jahren diesbezüglich erhobenen Forderungen gerechtfertigt und keine Propagandafloskeln sind. Und deshalb drängt sie im Namen ihrer Mitglieder nun mit noch mehr Nachdruck darauf, dass die Prüfung der Planungsunterlagen im Dienste der bautechni­schen Sicherheit künftig grundsätzlich hoheitlich zu erfolgen habe.

Wer übrigens Anstoß daran nehmen sollte, dass die Bundesvereini­gung das Gutachten selbst in Auftrag gegeben hat, der sollte sich da­von überzeugen, dass es reine Jurisprudenz atmet und keine Interes­senpolitik darstellt. Das Gutachten steht auf der Website der Bundes­vereinigung, wo sich jeder davon überzeugen kann, dass nur die ho­heitliche Prüfung mit Hilfe amtlich beliehener Prüfingenieure der Königsweg zu sicheren Bauwerken ist.

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